Am Ende der Saison gibt es immer ein, zwei Spiele, auf die die Trainer zurückblicken und die sie Schlüsselspiele nennen. Der 3:2-Sieg der C-Jugend in Bismark - nach 1:2-Rückstand bis drei Minuten vor Schluss - war vermutlich in der letzten Saison ein solches Schlüsselspiel. Ich bin einigermaßen sicher, dass ich heute ein weiteres Schlüsselspiel gesehen habe. Warum? Weil die Mannschaft sich von vielen Widrigkeiten am Ende nicht beeindrucken ließ und ein verloren geglaubtes Spiel nach Rückstand noch drehte und wir mit einem 6:4-Sieg nach Magdeburg zurückfahren konnten.
Ein Klick auf's Bild - und man ist in der Fotogalerie von Dennis Stark zum Spiel.
Der Reihe nach: Schon vor dem Spiel wurde ordentlich gearbeitet. Wir waren so rechtzeitig im großzügigen, aber in die Jahre gekommenen Sportpark von Thale, dass die B-Jugend des TuS 1860 in Ruhe und mit der nötigen Intensität die Spielvorbereitung angehen konnte. Nach dem tollen 10:1 im Landespokal gegen Arminia Magdeburg ging das Team mit viel Selbstbewusstsein ins Spiel, obwohl mit Steven heute leider ein wichtiger Spieler verletzungsbedingt ausfiel. Aber unsere Stürmer, von denen jeder in der Lage ist, ein Spiel zu entscheiden, zeigten ihren Gegenspielern gleich die Hacken. Auf Flanke von Jan setzte sich Tim in der Mitte durch, vollendete unhaltbar für den Keeper gleich in der 2. Spielminute zum 1:0. Der Torjäger der letzten Saison hatte gleich getroffen. Nur vier Minuten später segelte eine Ecke von Max in den Fünfmeterraum direkt auf den Torwart der Gastgeber zu. Der eine oder andere drehte sich schon ab; doch der Keeper ließ die Kugel durch die Hände gleiten und Andreas war hellwach und kickte den Ball aus kürzester Distanz über die Linie: 2:0. Alles klar? Keineswegs.
Übermut kommt vor dem Fall, so lautet ein altes Sprichwort. Die Gastgeber waren gut eingestellt und trotz des frühen Rückstands motiviert bei der Sache, machmal auch übermotiviert. Doch anfangs ging's vorbildlich fair zu. Lag ein Spieler nach einem Zusammenprall oder Foul am Boden, wurde der Ball ins Seitenaus gekickt. Beifall von den Rängen. Leider blieb's nicht so. Dazu später und jetzt zurück zum Spielverlauf. TuS 1860 hatte in den ersten zehn Minuten weitere Chancen, das Spiel vorzeitig zu entscheiden. Doch zwei starke Abwehrspieler, die es tatsächlich schafften, den schnellen Lukas L. immer mal wieder abzulaufen, sorgten dafür, dass zunächst kein weiterer Treffer für unsere Mannschaft zustandekam. Sie sorgten sogar durch Befreiungsschläge oder präzise Zuspiele auf die Außenpositionen bzw. den starken Mittelstürmer dafür, dass sich das Blatt wendete. Eine viel zu weit aufgerückte TuS 1860-Abwehr wurde in der 12. Spielminute klassisch ausgekontert: 1:2. Und nur wenig später führte ein weiterer Angriff über die linke Angriffsseite sogar zum Ausgleichstreffer, weil Marigon die scharf nach innen geschlagene Flanke ins eigene Tor lenkte. Das Spiel war jetzt völlig ausgeglichen. In dem Maße, wie TuS 1860 abbaute, legte die SG Thale/Westerhausen kämpferisch und spielerisch zu. Unseren Stürmer fehlte jetzt die Durchschlagskraft, auch bedingt dadurch, dass sie aus dem Mittelfeld kaum qualifizierte Vorlagen erhielten. Und unsere Abwehr offenbarte durchaus noch die eine oder andere Unsicherheit, obwohl die Angreifer der Gastgeber nicht unbedingt wie Lionel Messi oder Christiano Ronaldo zu Werke gingen. Halbzeit: 2:2.
Nach der Pause erneut verteiltes Spiel. Die spielerische Linie bei TuS 1860, die in den Vorbereitungsspielen erarbeitet wurde, war dahin. Jetzt ging's darum, kämpferisch dagegen zu halten, denn die Gastgeber spielten immer wieder mit vollem Körpereinsatz. Und sie hatten gelegentlich Unterstützung durch den Schiedsrichter, der die Situationen nach Trikotfarbe auslegte. Zusammen mit dem Frust über vergebene Chancen und dem bald folgenden 3:2-Führungstreffer der Gastgeber staute sich da einiges an. Und Tim, der von seinem Gegenspieler wüst beleidigt wurde, brannten die Sicherungen durch: Rote Karte. Unsere Trainer hatten jetzt einige Mühe, damit das Team sich auf's Wesentliche konzentrierte. Eine Spielunterbrechung - die beste Entscheidung des Schiedsrichters in der 2. Hälfte - sorgte dafür, dass sich die Gemüter etwas abkühlten. Doch von den Zuschauerrängen fürchtete man jetzt bei jedem Zweikampf, er könne mit einer gelben oder roten Karte enden. Die Trainer taten das einzig Richtige, wechselten - wie sich dann zeigte - Spielkultur ein. Denn Leo spielte fünf Minuten nach seiner Einwechslung den Pass des Spiels auf Andreas, der auch durch einen nachhakelnden Gegenspieler nicht zu bremsen war und zum 3:3-Ausgleichstreffer ins lange Eck traf. Danach auch so eine Szene, die der betreffende Spieler nicht vergessen wird. Eine tolle Kombination landete bei Benny, und zwar im Fünfmeterraum. In diesem Moment war ich ganz sicher: TuS 1860 würde in Führung gehen. Und das mit 10 gegen 11. Doch Benny schaffte es irgendwie - bei der Heimfahrt entwickelte er dazu eine interessante "Rotationstheorie" -, dass der Ball am linken Pfosten vorbeikullerte. Der Fußballgott schlief offenbar noch - zumal wenig später ein 30-Meter-Freistoß, nicht ganz unhaltbar, zum 4:3-Führungstreffer im Tor von TuS 1860 einschlug.
Was jetzt folgte, hätte man eigentlich mit einer Videokamera aufnehmen müssen. Das Team riss sich am Riemen. Die gute Vorbereitung zahlte sich aus. TuS 1860 bestimmte in Unterzahl das Spiel, hatte konditionell einfach mehr drauf und fand die spielerische Linie der Anfangsminuten wieder. Lukas D. als unermüdlicher Antreiber im Mittelfeld bot eine herausragende 2. Hälfte, räumte hinten auf, baute das Spiel präzise auf und war auch noch torgefährlich. Und Andreas brannte vorne ein Feuerwerk ab (spielerisch! - alles andere ist auf der Platzanlage lt. Dienstanweisung am Eingangstor verboten!). Nach einer Ecke erzielte er den 4:4-Ausgleich. Und weil's so schön war, beglückte er die Mannschaft, die Trainer und Fans mit zwei weiteren Toren, weil ihn die Mannschaft, die jetzt konsequent nach vorne spielte, vorbildlich unterstützte. Bei einem davon zeigte sich, dass auch der Fußballgott aufgewacht war und seine schwarz-gelbe Brille aufgesetzt hatte. Mit einem seiner spektakulär-dynamischen Antritte hatte Max zwei Spieler wie Fahnenstangen behandelt, wurde dann - lt. Opa Haegebarth, der hinter dem Tor stand - im Strafraum von zwei weiteren in die Zange genommen. Der Schiri verlegte den Tatort vor den Strafraum. Max knallte die Kugel an der Mauer vorbei, der Keeper der Gastgeber zeigte eine sagenhafte Parade und wehrte den Ball zur Seite ab. Doch Andreas angelte sich den Ball, spielte einen Abwehrspieler aus und schlenzte die Kugel unhaltbar in die lange Ecke. Welch ein Tor!
Noch einige wenige Minuten Warten auf den Schlusspfiff. Die Gastgeber kamen nur noch zu einer Chance, die Basti vereitelte. Dann war's vorbei. Gewonnen. Drei Punkte dort geholt, wo noch viele Mannschaften Punkte lassen werden.
PS: Am Ende der Meisterschaft weiß man, wer am meisten schafft (Fredl Fesl: Fußballlied). Am meisten schafft man nur dann, wenn man seine Nerven stets im Zaum hat. Egal, wie einem auf dem Platz mitgespielt wird und was ansonsten noch passiert.